SZ_1991_05_16_Altes Gefängnis und Schmidersches Haus werden von heute an abgebrochen
Die Kosten betragen 46 352 DM
Altes Gefängnis und Schmidersches Haus in Riedlingen werden von heute an abgebrochen
(kws) – Heute beginnt der Abbruch des ehemaligen Gefängnisses an der Grabenstraße, in dem zuletzt das Jugendforum Riedlingen untergebracht war. Ebenfalls abgebrochen wird das Gebäude Gammertinger Straße 8 (sog. Schmidersches Haus). Der Gemeinderat hatte bereits im Februar den Abbruch beschlossen und nun in seiner letzten Sitzung bei zwei Gegenstimmen – den Auftrag an die Firma Sauter aus Oberstetten für 46 352 DM vergeben. Gemeinderat Ulrich Widmann hatte bis zuletzt versucht, den Abbruch zu verhindern
Seit Monaten ging es in Riedlingen um das Schicksal des in den Jahren 1862/63 vom Ravensburger Bauinspektor und Architekten Gottlieb Pfeilsticker erbauten ehemaligen Oberamtsgerichtsgefängnisses. Pfeilsticker ist bekannt geworden durch mehrere neugotische bzw. neuromanische Kirchen wie zum Beispiel in Binzwangen.
Nachdem die Stadt Riedlingen mit dem Ankauf der früheren Stadt-Wirtschaft für das Jugendforum eine neue Unterkunft gefunden hatte, schlug die Verwaltung dem Gemeinderat den Abbruch des alten Gefängnisses vor. Nach langer und teilweise kontroverser Diskussion faßte der Gemeinderat mehrheitlich im Februar dieses Jahres den Abbruchbeschluß, der sich auch auf das Gebäude Gammertinger Straße 8 erstreckte. Während an der Stelle des Gefängnisses zunächst einmal provisorische Parkplätze entstehen sollen, ist im dortigen Bereich längerfristig an eine Wohnbebauung gedacht. Das Gebäude Gammertinger Straße 8 (Schmidersches Haus) soll abgebrochen werden, um eine bessere Einfahrt von der Gammertinger Straße her zu ermöglichen.
In der letzten Gemeinderatssitzung wandten sich SPD-Stadträte Ulrich Widmann und Gerold Reiniger nochmals gegen den Abbruch der beiden Gebäude. Dabei handle es sich um eine direkte und indirekte Vernichtung von Wohnraum, was nicht zu verantworten sei, ferner um eine Vernichtung von Vermögenswerte, so Widmann. Außerdem sei das Gefängnisgebäude nicht so heruntergekommen, wie man immer sage. Widmann meinte weiter, der Abbruch des Schmiderschen Hauses sei städtebaulich schlecht, der größere Sichtwinkel werde nicht benötigt. Außerdem ergebe sich durch den Abbruch der beiden Gebäude von der Gammertinger Straße her bis zur Stadtmauer eine regelrechte Parkplatzsteppe, die Stadt verliere dort ihr in Jahrhunderten gewachsenes Gesicht. Schließlich werde mit dem alten Gefängnis eines der letzten Bauzeugnisse des 19. Jahrhunderts vernichtet. Widmann wies weiter darauf hin, daß der Kindergarten künftig auf drei Seiten von Autos und Autoverkehr umgeben sei. Schließlich gebe man für den Abbruch unnötigerweise über 40 000 DM aus.
Wie von Stadtbaumeister Hermann Rothenbacher zu erfahren war, wird ab heute mit dem Abbruch der beiden Gebäude begonnen. Die Stadt habe zuvor noch Teile aus dem alten Gefängnis ausgebaut und gesichert. Sie sollen zum Teil dem Strafvollzugsmuseum in Ludwigsburg zur Verfügung gestellt werden, zum Teil bleiben sie im Besitz der Stadt, um später vielleicht einmal ins Heimatmuseum zu kommen. Außerdem wurden wie bereits berichtet vergangenen Woche von bisher unbekannten Tätern drei eichene und drei fichtene Zellentüren entwendet, die das Stadtbauamt jeweils auf etwa 1000 DM Wert schätzt.